„Du wirst Dein Glück finden in meinem Land und bald hier Deine Zelte aufschlagen, auf dass Du bis an Dein Lebensende hier bleiben wirst.“
Don Eusebio schaut mir erwartungsvoll in die Augen. In seiner kleinen Hütte hat er mir die Cocablätter nach alter andiner Art geworfen und liest aus deren Konstellation meine Zukunft.
Aha. Also lebenslänglich in Bolivien. Oh, es ist nicht, wie Sie vielleicht denken. Ich mag Bolivien. Wirklich. Nun bin ich schon seit drei Wochen in diesem Land, ziehe von Dorf zu Dorf und bin begeistert über dieses noch sehr ursprüngliche Stück Südamerika. Ich begegne einer spannenden Mischung aus purer Improvisation, andiner Wehmut, skurrilen Geschichten und unbändiger Lebensfreude. All dies stürmt hier auf mich ein.
Vielleicht haben Sie schon einmal davon gehört, dass Bolivien immer noch eine Marine sei eigen nennt, obwohl es seit dem Ende des Salpeterkrieges 1884 den Zugang zum Meer verloren hat. Aber man kann ja nie wissen…
Immerhin hat sich der Internationale Gerichtshof in Den Haag erst kürzlich für zuständig erklärt, den Streit zwischen Bolivien und Chile endgültig zu klären. Was immer das auch bedeuten mag. Und so halten sich hartnäckig Gerüchte, Bolivien parke im Titicacasee ein U-Boot, das nur darauf wartet, seinen Weg über Land hinunter zum Pazifik zu nehmen.
Der Titicacasee. Höchstgelegener schiffbare See dieser Erde. Und mitten darin die magische und sagenumwobene Sonneninsel. Trotz der Höhe, die das Atmen so schwer macht, wirkt diese Gegend auf mich wie ein kleines Paradies, eine fruchtbare Oase, die den Wolken näher scheint als dem andinen Boden unter meinen Füßen.
Was für ein Wechsel dann in La Paz, oder mehr noch im Moloch von El Alto, der Zwillingsstadt oben im Altiplano! Südamerikanisches Chaos pur! Lärm, nicht enden wollende Staus und Luft, die man kaum noch atmen kann. Nichts wie weg, hinunter ins Tiefland! Ich miete mir ein Mountainbike, erklimme den letzten Pass und ab geht´s über die „Death Road“, die Todessstraße über waghalsige Serpentinenkurven hinunter die die subtropischen Yungas. Hier ist die Welt wieder in Ordnung.
Doch lange entfliehe ich dem Hochland nicht. Ich erklimme wieder die Berghänge und erkunde den Sajama-Nationalpark, bevor ich nach stundenlanger Fahrt über staubige Pisten ankomme in der alten Minenstadt von Potosí. Nach wie vor ringen hier Tausende von Minenarbeitern dem Cerro Rico in mühevoller Handarbeit Zinkerz ab. Alfredo nimmt mich mit in den Stollen und lässt mich mitarbeiten. Aber nicht lange. Nach wenigen Stunden gebe ich auf. Die Höhe, die beklemmende Enge, der fehlende Sauerstoff und – ja, ich gebe es zu – die harte Knochenarbeit lassen mich zur Belustigung von Alfredo schnell die Spitzhacke zur Seite legen.
Letzte Station auf meiner Bolivienetappe sind dann die Salzwüsten im Süden. Für mich einer der ungewöhnlichsten und außerirdischsten Plätze dieser Erde. Fast eine Woche erkunde ich diese Gegend aus Kälte, Sand und Salz, bevor ich aufbreche zu meiner nächsten Etappe. Argentinien ruft!